Agilität und Selbstverantwortung

Welche Bedeutung hat Selbstverantwortung im Zusammenhang mit agilen Konzepten? Wie entsteht Selbstverantwortung und wie kann sie durch Führungskräfte gefördert werden? Und was hat die Kultur und die Persönlichkeit der Menschen einer Organisation damit zu tun?

Lesen Sie hier Antworten auf diese Fragen.

Dieser Blog-Artikel ist eine Zusammenfassung meines gleichnamigen Beitrags zum Buch Agiles Management. Dieser vielschichtige Herausgeberband ist im Spätsommer 2019 im Kohlhammer Verlag erschienen. Das Buch deckt eine große Breite an Themen ab: von den Treibern agiler Konzepte über agile Strategieentwicklung, Führung und Organisationen sowie der Praxis in agilen Unternehmen bis hin zur agilen Transformation.

Einen Überblick über das Buch können Sie in meinem Blog-Artikel Neuerscheinung: Agiles Management gewinnen. Darin finden Sie kurze Zusammenfassungen von jedem Beitrag der einzelnen Autoren.

Das Buch Agiles Management können Sie direkt beim Kohlhammer Verlag, bei Amazon oder im stationären Buchhandel kaufen.

Einleitung

In der Einleitung zu meinem Beitrag kläre ich zunächst die Begriffe Agilität und Selbstverantwortung. Den Begriff Agilität wegen seines vielfältigen Gebrauchs in verschiedenen Kontexten und mit unterschiedlichen Zuschreibungen. Und der Begriff Selbstverantwortung erfordert eine Definition wegen seiner inhärenten Unschärfe.

Dabei unterscheide ich zwischen personaler und organisationaler Agilität. Erstere ist das Handeln eines Menschen mit einer agilen Persönlichkeitsstruktur. Diese beschreibe ich in diesem Blog zum Beispiel im Artikel Agile Transformation: Mit dem agilen Kopf durch die hierarchische Wand. Organisationale Agilität ist dann das systemische Verhalten einer Organisation, in der viele Menschen mit einer agilen Persönlichkeit tätig sind. Das ist eine agile Organisation, wie ich sie im Blog-Beitrag Die agile Organisation ‘in a nutshell’ beschreibe.

Selbstverantwortung enthält das Wort Verantwortung. In Verbindung mit dem Wort Selbst geht es um das aktive Bemühen um Verantwortung in unterschiedlichen Kontexten: um aus eigenem Antrieb zu lernen, sich und andere weiterzuentwickeln, zu gestalten, Innovationen zu schaffen, Herausforderungen anzunehmen und zu bewältigen, Ziele zu erreichen und das Unternehmen voranzubringen. Die Funktion der Selbstverantwortung in agilen Organisationen ist die Ermöglichung von Selbstorganisation, die die Basis für die charakteristischen Leistungsmerkmale dieser Organisationsform ist.

Kultur agiler Organisationen

Vergleich agile und klassische OrganisationsformenViele Charakteristika agiler Organisationen ergeben sich daraus, dass die Menschen selbstverantwortlich handeln. Dieser zweite Abschnitt des Buchbeitrags beginnt mit einer Beschreibung dieser Charakteristika. Die nebenstehende Abbildung 2.1 aus dem Buch fasst sie zusammen. Damit wird deutlich, warum Selbstverantwortung eine so herausragende Rolle in agilen Organisationsformen spielt:

  • Mit der Annahme einer agilen Rolle geht die Übernahme der mit ihr verbundenen Verantwortung einher.
  • Neues probieren erfordert das Eingehen von Risiken und die Bereitschaft, für mögliche Misserfolge die Verantwortung zu übernehmen.
  • Selbstorganisation entsteht, indem Menschen aktiv die Verantwortung für die Erreichung übergeordneter Ziele übernehmen.
  • Verteilte Autorität erfordert die Übernahme der Verantwortung für eigene Entscheidungen, für die sich daraus ergebenden Konsequenzen und damit für das gesamte Unternehmen.
  • Indem die Entwicklung der Persönlichkeit stärker in den Vordergrund tritt, übernehmen die Protagonisten auch Verantwortung für die zu entwickelnden Menschen.
  • Um der Arbeit im Unternehmen einen Sinn zu verleihen, muss ein Mitarbeiter sein Handeln bewusst an seinen Werten ausrichten und dementsprechend eigenverantwortlich gestalten.

Um näher an die Menschen einer Organisation und das Phänomen Selbstverantwortung zu kommen, wird im weiteren Verlauf dieses Abschnitts die Kultur agiler Organisationen beschrieben. Diese ist das Ergebnis gelebter agiler Werte. In diesem Blog können sie darüber in vielen Artikeln etwas lesen. Besonders intensiv habe ich mich im Beitrag Agile Transformation: Mit dem agilen Kopf durch die hierarchische Wand mit den kulturbestimmenden Werten einer agilen Organisation auseinandergesetzt.

Selbstverantwortung als Ermöglicher von Agilität

Im dritten Abschnitt des Buchbeitrags diskutiere ich den Zusammenhang zwischen der Persönlichkeitsstruktur eines Menschen und seinen typischen Verhaltensweisen. Über diesen Zusammenhang können Sie insbesondere in den Blog-Beiträgen Agile Rollen bestmöglich besetzen und Agile Führung – Persönlichkeit und Entwicklung agiler Führungskräfte sowie in dem schon mehrfach erwähnten Beitrag Agile Transformation: Mit dem agilen Kopf durch die hierarchische Wand etwas lesen.

Zu den persönlichkeitsinduzierten Verhaltensweisen gehört auch das selbstverantwortliche Handeln. Dieses Verhalten entsteht aus einem Willen zur Übernahme von Verantwortung. Dieser Wille hat ihre Ursache in positiven Emotionen, die durch die Befriedigung bestimmter intrinsischer Bedürfnisse bei der Übernahme von Verantwortung entstehen. Wenn eine Persönlichkeit mit diesen Bedürfnissen Verantwortung übernimmt, dann

  • hat sie das von ihr positiv besetzte Gefühl, wirksam zu sein und Einfluss nehmen zu können,
  • ist sie frei in ihren Entscheidungen und kann ihre Unabhängigkeit ausleben,
  • kann sie – je nach Typ – eigene spannende Ideen entwickeln bzw. die Realisierung von Verbesserungen sicherstellen,
  • kann sie das Potenzial ihrer Selbstsicherheit entfalten, indem sie die mit der Verantwortung verbundenen Herausforderungen meistert,
  • kann sie – je nach Typ – eigenverantwortlich planen und organisieren oder flexibel und spontan reagieren,
  • kann mit ihrer immanenten Loyalität und Integrität eine wichtige Stütze des Unternehmens sein oder – je nach Typ – für sich und das Team das Beste herausholen und Ziele erreichen,
  • kann sie sich für eine bessere Welt starkmachen oder
  • ihrem Mut und ihrer Risikofreude Raum geben, indem sie Spannung und Abenteuer sucht.

Im restlichen Teil dieses Abschnitts des Buchbeitrags beschreibe ich, wie Führungskräfte die Menschen in Unternehmen dabei unterstützen können, von sich aus Verantwortung zu übernehmen. Vieles davon finden Sie in meinem Blog-Beitrag Agile Führung – Persönlichkeit und Entwicklung agiler Führungskräfte.

Leistungspotenziale erschließen

Im vierten – vergleichsweise umfangreichen, hier aber nur kurz wiedergegebenen – Abschnitt geht es zunächst darum, wie agile Persönlichkeiten mit einem hohen Maß an Selbstverantwortung gefunden und gefördert werden können. Dazu werden die Persönlichkeitsmerkmale agiler Menschen vorgestellt und Tipps gegeben, wie man diese erkennen kann.

Danach diskutiere ich das Thema Überforderung in agilen Organisationen. Damit die Menschen in agilen Organisationen in keine Überforderungssituation kommen, müssen sie zum einen über einen agilen Mindset verfügen (Vermeidung von persönlichkeitsinduzierter Überforderung). Dann sind sie in dieser Organisationsform intrinsisch motiviert, leistungsstark und effektiv. Zum anderen benötigen sie zusätzlich ein Kompetenzprofil, das insbesondere die Entscheidungsfähigkeit sicherstellt (Vermeidung von kompetenzinduzierter Überforderung). Dabei gilt: Je stärker der agile Mindset eines Menschen ausgeprägt ist, desto eher entwickelt er sein Kompetenzprofil in die passende Richtung aus eigenem Antrieb weiter.

Fazit

Vier Treiber der SelbstverantwortungDas Fazit meines Buchbeitrags gebe ich hier in voller Länge wieder. Es zeichnen sich vier Treiber für die Ermöglichung von Selbstverantwortung in einem Unternehmen ab, siehe Abbildung 5.1 aus dem Buch:

  • Organisation: Die Charakteristika und die Kultur des Unternehmens entsprechen denen einer agilen Organisation. Sie ist geprägt von den Werten Exploration, Selbstverantwortung und Kundenorientierung. Die Führungskräfte verteilen ihre Autorität auf die Mitarbeiter und unterstützen, befähigen und ermächtigen sie, Verantwortung zu übernehmen.
  • Persönlichkeit: Die Mitarbeiter haben Wertesysteme, die zu den kulturbestimmenden Werten einer agilen Organisation kompatibel sind. Sie besitzen einen ‘agilen Mindset’. Die zugehörigen intrinsischen Motive wirken dabei wie Antreiber, um die Anforderungen dieser Organisationsform aktiv zu erfüllen.
  • Motivation: Die den intrinsischen Motiven zugrunde liegenden Bedürfnisse der Mitarbeiter werden durch die Übernahme von Verantwortung befriedigt. Daraus entsteht eine intrinsische Motivation und der unbedingte Wille, Verantwortung zu übernehmen, sich und das eigene Umfeld zu organisieren und selbstverantwortlich zu handeln.
  • Kompetenz: Das dafür erforderliche Kompetenzprofil ermöglicht das Treffen von Entscheidungen, der Kern der Selbstverantwortung. Dazu gehört: Überblick verschaffen, priorisieren, auf Basis sich teilweise widersprechender Wahrheiten und Ungewissheiten unter Berücksichtigung der Intuition entscheiden. Menschen mit einem agilen Mindset entwickeln ihr Kompetenzprofil aus eigenem Antrieb weiter.

Diese vier Treiber sind voneinander abhängig und bedingen sich gegenseitig. Alle sind eng mit der Persönlichkeit der Menschen in einer Organisation und die durch sie gestaltete Kultur verbunden. Möchte ein Unternehmen eine agile Organisation schaffen, kann das nur mit einem Transformationsprozess gelingen, der alle diese Aspekte gleichzeitig berücksichtigt.

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