7 Erfolgsfaktoren der agilen Transformation

Eine agile Transformation kann mit 100%iger Sicherheit erfolgreich realisiert werden. Dazu müssen 7 Erfolgsfaktoren beherzigt werden. Es handelt sich dabei um Erkenntnisse, Haltungen, Herangehensweisen, Methoden und Tools, die aus Praxiserfahrungen abgeleitet wurden und die sich bewährt haben. Und solchen, die aus anderen Kontexten kommen und begründbar zum Erfolg einer Organisationsentwicklung oder Transformation beitragen.

Lesen Sie in diesem Beitrag, um welche Erfolgsfaktoren es sich handelt und wie Sie diese konkret bei einer agilen Organisationsentwicklung oder Transformation berücksichtigt können.

Dieser Beitrag ist der zweite von zwei Artikeln, die dem Vortrag Reality Check: Agile zugrunde liegen. Ich habe ihn erstmals auf der Digital Xchange am 25.05.2019 gehalten. Im ersten Artikel Reality Check: Agile gehe ich darauf ein, wie agile Transformationen in der Praxis durchgeführt werden, was dabei schief geht und warum.

Dieser Artikel hat die Bronzemedaille bei Best of Schwarmorganisation 2017-2020 errungen.

Reality Check: Agile

Ich hatte in den letzten Jahren Gelegenheit, die Einführung agiler Organisationsformen bei einer Vielzahl von Unternehmen bzw. Unternehmensbereichen mehr oder weniger eng zu begleiten. Die dabei gewonnenen Erfahrungen bestätigen die in der Literatur beschrieben Fallstricke der agilen Transformation. Im oben genannten Artikel können Sie sich im Detail darüber informieren.

Hier die Zusammenfassung:

  • Mit Kanonen auf Spatzen: Es werden ungeeignete Aufgabenstellungen für die Pilotierung agiler Arbeitsweisen ausgewählt. Sie sind von einfacher oder komplizierter Natur. Agile Konzepte sind aber für komplexe Situationen gemacht. Bei einfachen und komplizierten Herausforderungen erschließt sich der Nutzen agiler Vorgehensweisen nicht.
  • Das richtige Vorgehen am falschen Ort: Die Kultur im gewählten Organisationsbereich ist nicht agil. Zum Beispiel dominieren die Werte Ordnung, Struktur und Regeln einer bürokratischen Organisation. Und nicht Exploration, Selbstverantwortung und Kundenorientierung, wie bei einer agilen Organisation.
  • Eisbären am Südpol, Pinguine am Nordpol: Oft werden Menschen für die Unterstützung einer agilen Transformation ausgewählt, die nicht über einen agilen Mindset verfügen. Sie möchten nicht: Neues entdecken, ausprobieren, Risiken eingehen und Verantwortung dafür übernehmen.
  • Bei uns ist alles anders: Die agile Transformation wird durch die Einführung eines bewährten, agilen Frameworks (Scrum, Lean/Kanban etc.) vereinfacht. Oft wird das gewählte Framework allerdings bis zur Unkenntlichkeit entstellt, weil die Entscheider meinen, dass für ihr einzigartiges Unternehmen kein Framework passt.
  • Hierarchien abbauen? Darüber reden wir später: Agile Frameworks sind eine Sammlung aufeinander abgestimmter, leistungsfähiger Methoden. Die Überlegenheit agiler Konzepte speist sich aber aus der immanenten Selbstverantwortung und Hierarchiefreiheit agiler Organisationen. Dieses zentrale Prinzip wird von den Entscheidern einer bestehenden Machthierarchie regelmäßig ignoriert.
  • “Change Management”: Bewährte Vorgehensweisen in Veränderungssituationen werden ignoriert: Vision entwickeln, konsequente Umsetzung, ausreichend über Sinn und Zweck der Veränderung sprechen und Vertrauen schaffen – überhaupt kommunizieren, Menschen mitnehmen, Nutzen spürbar werden lassen usw.

7 Erfolgsfaktoren der agilen Transformation

7 Erfolgsfaktoren agile TransformationDie oben skizzierten Fallstricke können vermieden und eine agile Transformation erfolgreich durchgeführt werden. Es haben sich dazu 7 Erfolgsfaktoren herauskristallisiert. Sie bestehen jeweils aus Good Practices, die in der Praxis als Emergent Practices in von Komplexität gekennzeichneten Transformationsprojekten entstanden sind und sich bewährt haben. Und solchen, die aus anderen Kontexten kommen und begründbar zum Erfolg einer Organisationsentwicklung oder Transformation beitragen. Die Reihenfolge entspricht einem sinnvollen Vorgehen in einem Transformationsprojekt.

Ich gehe jede Wette mit Ihnen ein, dass ein Transformationsprojekt unter Berücksichtigung dieser Faktoren erfolgreich sein wird!

Wenn Sie die Risiken einer Transformation im Allgemeinen minimieren möchten, empfehle ich Ihnen den Beitrag Transformation – Survival – Kit. Darin erläutere ich, wie Sie mit externer Hilfe die Fallstricke einer Transformation sicher umgehen können.

1. Die Ausgangssituation klären

Die Organisation von Unternehmen entwickeln sich – oder sollten es zumindest – parallel zu sich verändernden Umwelt- und Marktbedingungen. Diese Entwicklung ist in der sogenannten S-Matrix abgebildet. Dieses Werkzeug beschreibe ich hier. Wir kennen die heutige Organisation des Unternehmens genau, wenn wir sie in dieser S-Matrix verorten können.

Um diesen Ausgangspunkt zu bestimmen, beantworten wir Fragen wie die folgenden:

  • Ausgangspunkt OrganisationsentwicklungKultur: Welche Werte werden von den Menschen der Organisation geteilt? Wie kommunizieren Führungskräfte, Organisationseinheiten und Menschen? Welche Bedeutung spielen Ränge und Titel?
  • Menschen: Was treibt die Menschen in der Organisation an? Über welche Kompetenzen verfügen sie? Wie verhalten sie sich?
  • Führung: Welches Führungsverständnis dominiert? Welche Führungsstile finden wir? Wie wird die Weiterentwicklung der Führungskräfte unterstützt?
  • Struktur: Wie sind die Leistungsbereiche (Produkte, Dienstleistungen) organisiert? Wie werden Aktivitäten und Abläufe gesteuert? Welche Berichts-, Informations- und Kommunikationsmechanismen gibt es?
  • Prozesse: Wird zwischen zum Beispiel Primärprozessen zur Wertschöpfung, Sekundärprozessen zur Unterstützung und Governance-Prozessen zur Steuerung unterschieden? Welche Rollen gibt es? Wie werden Prozesse operationalisiert?
  • Methoden und Tools: Welche Arbeitsmodelle (Zeit, Ort, Entgelt usw.) werden angeboten? Wie erfolgt das Controlling (Philosophie, Kennzahlen, Systeme usw.)? Wie ist die Informations- und Kommunikationstechnologie im Unternehmen organisiert?

Der Ausgangspunkt definiert den Raum der grundsätzlichen Möglichkeiten: Was kann im nächsten Entwicklungsschritt erreicht werden? Müssen zunächst dringend notwendige “Reparaturen” und Verbesserungen durchgeführt werden? Können wir den nächsten größeren Entwicklungsschritt gehen? Oder ist tatsächlich eine agile Transformation im nächsten Schritt möglich?

2. Ziele und Motive klären

Allen Beteiligten, vom Top Management über die Umsetzer der Organisationsentwicklung bis hin zu den betroffenen Menschen der Organisation, sind zwei Dinge klar:

  1. Wir wissen, wohin sich ihre Organisation kurz-, mittel- und langfristig entwickeln soll.
  2. Und sie wissen auch, warum!

Für jedes Unternehmen gibt es die eine Organisationsform, die den Herausforderungen seines zukünftigen Marktes gerecht wird. Und das ist eben nicht immer eine agile Organisation. Im Artikel Scharf – aber nicht zu scharf: Die richtige Organisationsform finden, gehe ich darauf genauerer ein.

Eine Organisationsentwicklung mit dem Ziel der Einführung einer agilen Organisation ist erforderlich, wenn der zukünftige Markt stark von der Digitalisierung geprägt sein wird. Ich nenne diese Märkte Smarte Märkte (siehe erster Artikel). Denn agile Organisationen sind eine Reaktion auf die mit der Digitalisierung einhergehenden Beschleunigung und zunehmenden Komplexität von Abläufen in Unternehmen und Märkten. Dann können sie ihre Stärken ausspielen. Für einfache oder komplizierte Aufgaben gibt es bewährte Lösungen, die einem agilen Vorgehen in der Regel überlegen sind. Agile Konzepte stoßen dann auf keine Akzeptanz und eine agile Transformation wird nicht mitgetragen.

Um den zukünftigen Markt bestimmen zu können, müssen wir verschiedene Entwicklungen – die Trends – in folgenden Bereichen anschauen:

  • Ziele Motive OrganisationsentwicklungStruktur: Wertschöpfungsmechanismen, Geschäftsmodelle, Veränderungsdynamik
  • Wachstum: Marktdynamik (Wachstum, Stagnation, Schrumpfung), Einflussfaktoren
  • Kundenbedürfnisse: Gewünschte Kundenerfahrungen, Relevanz der Leistungen des Unternehmens für seine Kunden
  • Wettbewerb: Intensität, Transparenz (Komplexität), Art der Wettbewerbsvorteile
  • Produkte: Natur der Produkte, Natur der Entwicklung

Und immer fragen wir ganz konkret nach der Bedeutung der Digitalisierung: Müssen Produkte und Dienstleistungen digitalisiert werden? Müssen Geschäftsmodelle angepasst werden? Wie ändert sich die Art der Wertschöpfung? Wie ändert sich das Verhältnis zu den Kunden durch die Digitalisierung? Und der Umgang mit dem Wettbewerb?

Die Digitalisierung betrifft alle oben genannten Bereiche und definiert das Maß von deren Komplexität. Die Art der Organisation ist dann die angemessene Reaktion darauf. Denn einer äußeren Komplexität muss ein Unternehmen eine gleich ausgeprägte innere, organisatorische Komplexität entgegensetzen.

3. Die Machbarkeit prüfen

Der Startpunkt unserer Organisation und das Ziel sind jetzt klar. Mit dem Thema agile Transformation machen wir nur dann weiter, wenn wir zukünftig einen smarten Markt haben werden. Ansonsten befassen wir uns mit der Optimierung unserer bestehenden Organisation oder deren Entwicklung in Richtung eines anderen, vermutlich näherliegenden Ziels.

Wie sieht es aber mit der Machbarkeit aus? Hier zeige ich, dass die Entwicklung einer Organisation einer Evolution gleicht. Es gibt notwendige Entwicklungsschritte, die nicht ausgelassen werden können. Das heißt aber auch, dass zwischen unserer heutigen Organisation und einer agilen mehrere Entwicklungsstufen liegen können. Wenn wir in diesem Fall aber gerade voll von der Digitalisierung betroffen sind, haben wir ein Problem. Denn mit jedem Entwicklungsschritt ist organisationales Lernen und eine Veränderung der Kultur verbunden, die Jahre dauern können.

Das muss sorgfältig geprüft und ein möglicher Entwicklungspfad gefunden werden. Falls es schlecht aussieht, müssen Aus- oder Umwege gefunden werden. Diese können zum Beispiel darin bestehen, nur die von der Digitalisierung besonders betroffenen Bereiche einer intensiven Vorbereitung und anschließenden agilen Transformation zu unterziehen. Oder neue agile Bereiche oder ganze Unternehmen zu gründen, die sich mit der Digitalisierung befassen. Diese Optionen beschreibe ich ausführlich im Artikel Ambidextrie – Die Rettung für Unternehmen in dynamischen Märkten.

Wenn es einen möglichen Entwicklungspfad gibt, müssen weitere Voraussetzungen für eine erfolgreiche Organisationsentwicklung bzw. Transformation gegeben sein. Diese können mit dem Pipeline-Modell der Veränderung ermittelt werden. David Peterson und Mary Dee Hicks haben ein Modell entwickelt und empirisch untermauert, welches fünf notwendige und hinreichende Kriterien der persönlichen Entwicklung eines Menschen beschreibt, nachzulesen im Buch Development First: Strategies for Self-Development, Korn Ferry Leadership Consulting co, 1995. Sie haben dafür die Metapher eines Rohres gewählt und entsprechend The Development Pipeline genannt.

Ich habe dieses Coaching-Tool im Jahr 2008 auf die Organisationsentwicklung übertragen und arbeite seitdem in Veränderungsprojekten damit. Der Durchfluss durch alle fünf Rohrelemente symbolisiert die erreichbare Veränderung und wird von den jeweiligen Rohrdurchmessern definiert. Das, was am Ende an Veränderung nachhaltig umgesetzt werden kann, wird vom engsten Teilstück bestimmt (Flaschenhalsprinzip). In der Abbildung ist das Wollen der Engpass. Egal wie groß die anderen Rohrelemente sind, die mögliche Veränderung wird vom Wollen limitiert.

Für den Kontext der agilen Transformation sind folgende Voraussetzungen zu schaffen:

  • Pipeline Modell VeränderungErkenntnis: Die Menschen stellen ihre nicht-agile Organisation in Frage. Sie verspüren eine gewisse Dringlichkeit, etwas zu verändern. Denkbare Quellen von Unzufriedenheit habe ich im ersten Artikel umrissen. Und sie haben eine klare Vision davon, wie es stattdessen in ihrem Unternehmen sein müsste.
  • Motivation: Die wichtigsten Stakeholder, das Top-Management, die Führungskräfte und angesehene Multiplikatoren des Unternehmens, wollen die agile Transformation – ungeachtet möglicher persönlicher Nachteile. Und viele andere tragen die Idee mehr oder weniger begeistert mit oder haben wenigstens nichts dagegen. Die Unternehmenslenker committen sich und sind bereit, Zeit, Ressourcen und Energie in die organisatorische Veränderung zu investieren. Man spricht im Englischen häufig vom buy in der Stakeholder. Bei diesem Rohrelement kommt die Persönlichkeit des Menschen mit Macht ins Spiel. Passen seine Grundbedürfnisse und inneren Antreiber zu der Veränderung und der entstehenden Organisationsform? Siehe hierzu meinen Artikel Agile Transformation: Mit dem agilen Kopf durch die hierarchische Wand.
  • Fähigkeit: Ausreichend viele Menschen müssen in die Lage versetzt werden können, die agile Transformation hinzukriegen und die Anforderungen einer agilen Organisation zu erfüllen. Und es sollte bereits eine starke Basis echter Kompetenzträger vorhanden sein.
  • Möglichkeit: Die Shareholder, Inhaber und Investoren, tragen die Veränderung mit. Und es stehen ausreichend Finanzmittel und Menschen für die Umsetzung zur Verfügung. Schließlich erlauben die regulatorischen Rahmenbedingungen, Gesetze, Verordnungen und vertragliche Bindungen, die Transformation. Achtung: Ungünstige regulatorischen Rahmenbedingungen werden gerne als Gegenargument ins Feld geführt, wenn das Wollen nicht wirklich vorhanden ist (Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe). Mir sind bei näherem Hinsehen noch keine unüberwindbaren Hürden begegnet, die eine agile Organisation unmöglich machen würden.
  • Wirkung: Die positiven Auswirkungen der Veränderung werden schnell und bleiben dauerhaft spürbar. Der Fokus verschiebt sich rasch von der “Last der Veränderung” zu den entstehenden Vorteilen. Das muss seitens der Change Manager intensiv und aktiv unterstützt und gefördert werden. Der Nutzen und die erreichten Vorteile sollten regelmäßig wieder ins Bewusstsein der Menschen geholt werden, so dass das Positive nicht zur Selbstverständlichkeit wird.

4. Ein stimmiges Transformationskonzept entwickeln

Der Entwicklungspfad ist in ein stimmiges, schlankes Konzept überführt. Stimmig bedeutet, dass die Maßnahmen zur Realisierung der Entwicklung hin zu einer agilen Organisation

  • den Nutzen für das Unternehmen – ausgedrückt durch den Nutzen für die verschiedenen Stakeholder-Gruppen Kunden, Mitarbeiter, Shareholder usw. – in den Mittelpunkt stellen,
  • entsprechend ihres Nutzens priorisiert werden,
  • sich nicht widersprechen, sondern ergänzen und aufeinander aufbauen (Konsistenz),
  • entsprechend einer zielführenden Reihenfolge priorisiert werden (siehe unten) und
  • alle Aus- und Nebenwirkungen berücksichtigen (Kollateralschäden) und diese minimieren.

Schlank bedeutet, nur die wichtigsten und dringenden Maßnahmen zu detaillieren und unmittelbar umzusetzen. Spätere Maßnahmen können zu späteren Zeitpunkten definiert bzw. detailliert werden.

Konzept agile TransformationEine agile Transformation, also die Einführung einer agilen (Arbeits-) Organisation, betrifft praktisch nie das gesamte Unternehmen. Denn erstens sind agile Arbeitsweisen nicht in jedem Fall sinnvoll, wie wir oben bereits gesehen haben. Und zweitens hat es sich als zielführend erwiesen, bei der Einführung agiler Konzepte schrittweise vorzugehen: Man beginnt mit einem Pilotprojekt oder Pilotbereich. Mit den positiven Erfahrungen aus der Pilotierung werden agile Arbeitsweisen schrittweise auf andere Bereiche übertragen.

Ein sinnvolles Vorgehen ist daher, zunächst die oben genannten Voraussetzungen für die agile Transformation zu schaffen und dann schrittweise vorzugehen:

  • Ein Pilotprojekt starten und gleichzeitig die Peripherie, d.h. die zuliefernden, abnehmenden oder kooperierenden Teams bzw. Organisationseinheiten, mitnehmen. Das gelingt durch geeignete Schnittstellen zum agilen Projekt, die z.B. mit Hilfe von Kanban-Boards operationalisiert werden.
  • Ein Pilotbereich durch mehrere Pilotprojekte bzw. skalierte agile Ansätze umstellen und gleichzeitig die Peripherie ähnlich wie oben mitnehmen.
  • Mehrere Pilotbereiche und schließlich den ganzen Unternehmensbereich agil transformieren und die Restorganisation mittels geeigneter Schnittstellen und Vereinbarungen zur Zusammenarbeit anbinden.

Das Transformationskonzept wird am besten als ein Backlog realisiert, das wir aus den agilen Frameworks kennen. Denn die Transformation der Organisation sollte durch ein agiles Projekt umgesetzt werden.

5. Die Transformation agil umsetzen

Die Entwicklung von Organisationen und Menschen ist selbst immer eine komplexe Herausforderung. Also etwas, dessen Verlauf wir nicht planen können und bei dem wir uns an gute Lösungen iterativ herantasten müssen.

Agile Transformation TransitionsprojektDaher gehen wir dabei sinnvollerweise explorativ und in Lernzyklen vor. Klassisches “Change Management” war noch nie eine gute Idee. Bewährt hat sich ein Vorgehen in Anlehnung an Scrum bzw. mit Hilfe von Lean/Kanban Werkzeugen. Die Wahl des Vorgehens hängt von den Rahmenbedingungen ab: Anzahl der Mitglieder des Transitionsteams, ihre Kompetenzen, ihr zeitliches Engagement usw.

Bei diesem Vorgehen werden Maßnahmen der Organisationsentwicklung durchgeführt und unmittelbar hinsichtlich ihres Erfolgs überprüft. Die Überprüfung erfolgt durch Feedback der Stakeholder, deren wichtigste Gruppe die Mitarbeitenden der Organisation sind.

Es handelt sich um einen lösungsorientierten Ansatz. Der Fokus liegt nicht auf der anfänglichen Sammlung und Analyse aller Missstände und Dysfunktionen der Organisation. Vielmehr wird sich auf die Ausgestaltung einer besseren Organisationsform konzentriert und diese unmittelbar – ohne lange Planungs- und Konzeptionsphase – eingeführt. So entsteht mit Hilfe von Quick wins eine positive Veränderungsdynamik.

Da die Komplexität und Dynamik in unserer von Digitalisierung geprägten Welt weiter zunehmen wird, ist ein wichtiges Ziel, das Transformationsprojekt in einen kontinuierlichen Organisationsentwicklungs-Prozess zu überführen. Gerade wenn der Entwicklungspfad zur agilen Organisation etwas weiter sein sollte, brauchen wir eine stetige Arbeit an dem Thema.

6. Professionell pilotieren

Das Vorgehen zu diesem Erfolgskriterium ergibt sich unmittelbar aus dem ersten Artikel. Wenn wir voraussetzen, dass eine agile Transformation grundsätzlich sinnvoll (Erfolgsfaktor 2) und möglich (Erfolgsfaktor 3) ist, sollte so vorgegangen werden:

  • Professionelle Pilotierung agiles ProjektFür die Pilotierung wird ein geeigneter Organisationsbereich ausgewählt. In diesem sind Werte wie Selbstverantwortung, Flexibilität und Exploration bestimmend. Und die verantwortlichen Manager und Führungskräfte sind von agilen Konzepten begeistert.
  • Es wird ein komplexes Projekt gewählt. Denn nur bei komplexen Herausforderungen können agile Konzepte ihre Stärken ausspielen. Das Projekt sollte von Anfang an agil durchgeführt werden, also nicht bereits fortgeschritten sein. Die Laufzeit sollte einige Monate betragen, damit nach einer anfänglichen Lernphase der Nutzen erkennbar wird.
  • Für die Durchführung werden Menschen mit einem agilen Mindset ausgewählt. Diese möchten Neues ausprobieren, verändern, Herausforderungen bestehen und Risiken eingehen, Verantwortung übernehmen und immer besser werden. Meist spüren die Menschen, dass ihnen agile Konzepte liegen. Daher sollte die Zusammenstellung agiler Pilotteams auf freiwilliger Basis erfolgen.
  • Vor der Pilotierung werden alle daran Beteiligten intensiv geschult. Mitglieder des Transitionsteams erwerben Kompetenzen auf dem Gebiet der Organisationsentwicklung und Transformation von Organisationen. Den Mitgliedern agiler Teams wird das gewählte Framework vermittelt, insbesondere die agilen Rollen. Und den sonstigen Stakeholdern, wie Führungskräften, dem Management oder Kunden, ihre neuen Rollen und die damit verbundenen Aufgaben und zielführende Verhaltensweisen.
  • Das agile Team ist ermächtigt, entsprechend des gewählten agilen Frameworks – insbesondere gemäß ihrer agilen Rollen – zu agieren.
  • Die Pilotierung wird durch einen erfahrenen Agile Coach begleitet, der das Wissen über das agile Framework und die agilen Rollen im Verlauf des Projektes ständig vertieft.

Aber wie können wir herausfinden, welche Bereiche eines Unternehmens für eine agile Transformation geeignet sind? Und wie finden wir Persönlichkeiten mit einem agilen Mindset, die diese gestalten und vorantreiben? Und jene Mitarbeiter, die in einer agilen Organisation genau richtig aufgehoben sind? Da hilft nur der Blick auf die Persönlichkeit der Menschen in der Organisation, wie ich es in diesem Artikel beschreibe. Wir haben hierfür ein wissenschaftlich abgesichertes Vorgehen entwickelt, mit dem Unternehmen dahingehend analysiert werden können, siehe Org 37°.

7. Das Handwerk der Veränderung beherrschen

Es gibt eine Art Handwerk der Veränderung. Das beinhaltet Vorgehensweisen, die seit jeher den Erfolg von Veränderungsprojekten erhöht haben. Viele davon finden sich in Standardwerken zum “Change Management”. Auch wenn man Veränderungen nicht “managen” kann, sind die darin beschriebenen Herangehensweisen und Methoden dennoch richtig. Bekannt für seine Arbeiten im Bereich Veränderungsmanagement ist John Paul Kotter, Professor für Führungsmanagement an der Harvard Business School.

Für die agile Transformation können wir aus diesen Standards folgende Ansätze – neben den oben bereits diskutierten Erfolgsfaktoren, die von grundlegender Bedeutung sind – ableiten:

  • Handwerk VeränderungVision entwickeln: Von Anfang an auf eine starke Vision für die agile Transformation stützen. Diese muss den Nutzen für das Unternehmen und den agilen Unternehmensbereich ins Zentrum stellen. Und den Nutzen für die Gesellschaft und die Umwelt. Sie stiftet damit Sinn und Orientierung. Die Vision ist immer dann eine gute Referenz, wenn in kritischen Situationen die Frage nach dem “Warum?” gestellt wird.
  • Arbeit an der Kultur: Hierarchien durch Selbstorganisation ersetzen und Selbstverantwortung fördern. Das geschieht durch die bereits genannten Rollenschulungen, ergänzt durch Einzel-Coachings. Und einer darauf ausgerichteten Recruiting-Strategie. Sie erinnern sich? Menschen mit agilem Mindset!
  • Agile Frameworks: Einführung des gewählten Frameworks “nach Lehrbuch”. Statt es völlig grundlos gleich zu Beginn zu kastrieren, sollten erstmal Erfahrungen gesammelt werden. Erst wenn man wirkliche Kompetenz erworben hat, kann es bei Bedarf angepasst werden. Das ist angelehnt an das japanische Shuhari Prinzip.
  • Authentizität: Die wichtigsten Stakeholder, die Unternehmenslenker, das Top-Management, die Führungskräfte und angesehene Multiplikatoren des Unternehmens, zeigen zu jeder Zeit, dass sie die Veränderung wirklich wollen. Ihr Verhalten in schwierigen Situationen der Transformation ist hier maßgebend.
  • Kommunikation: Immer wieder und sehr ernsthaft über Sinn und Zweck der Veränderung sprechen, Vertrauen im Vorfeld schaffen, die Menschen mit ihren Ängsten und Bedenken ernst nehmen, sie mitnehmen und schließlich den Nutzen bei jeder Gelegenheit hervorheben.

Ausblick

Die im ersten Artikel Reality Check: Agile beschriebenen Fallstricke bei der praktischen Umsetzung einer Transformation werden vor allem in den letzten drei Erfolgsfaktoren adressiert. Die ersten vier bereiten aber den Boden für eine erfolgreiche agile Transformation. Werden sie ignoriert, wird dieser massive Eingriff in das Organisationssystem zum Glücksspiel für das Unternehmen.

In meiner Arbeit stoße ich oft an Grenzen bei der Umsetzung der 7 Erfolgsfaktoren. Das sind nie prinzipielle Grenzen. Sie werden vielmehr von den Entscheidern gezogen. Die Ursachen für dieses Verhalten sind nach meinem Eindruck eine Überforderung und daraus entstehende Ängste der Verantwortlichen. Daher halte ich das vertrauensvolle Gespräch mit den entscheidenden Personen zu Beginn für den allerwichtigsten Erfolgsfaktor. Dabei werden Bedenken ernsthaft erwogen und ein Gefühl der Sicherheit vermittelt.